Vor eineinhalb Jahren keimten die ersten grünen Ranken und bunten Blüher auf dem Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt. Vorher dominierten dort gähnende Leere, Beton und Grautöne. Seit sich eine Stadtgarten-Initiative um das Areal kümmert, wachsen nicht nur Apfel und Zucchini, sondern auch kreative Ideen. Ein Kalender dokumentiert die erfolgreiche Gartensaison. Doch die Stadtgärtner haben noch weitere Pläne: Im nächsten Jahr tauschen sich Gesprächspartner der Baubehörde, Stadtteilpolitiker und die Lucie-Ideengeber in einer interaktiven Werkstatt über die Zukunft aus.
Neustadt. Eva Kirschenmann kann sich gar nicht sattsehen an den Fotos, die in dem druckfrischen Kalender zu sehen sind. Sie dokumentieren, woran vor zwei Jahren noch nicht zu denken war: Der ehemals graue Lucie-Flechtmann-Platz kann ein fruchtbares Feld sein, mit rankenden Rosen und Zucchinibüschen. „Mit dem Kalender wollen wir allen Besuchern einerseits Erinnerungen an eineinhalb ereignisreiche Jahre geben und andererseits auf das Lucie-Projekt aufmerksam machen“, erzählt Kirschenmann.
In der Lucie-Chronik für zu Hause ist die Belebung des Platzes zu sehen – sie beginnt in einer Betonwüste. „Bevor unsere Initiative ,Ab geht die Lucie’ anfing, haben wir begonnen, in jedem Monat ein Foto zu machen, um so die Veränderung sichtbar zu machen. Diese sind auf der letzten Seite platziert. Ansonsten haben verschiedene Künstler und Fotografen ihre schönsten Aufnahmen zur Verfügung gestellt“, ergänzt sie.
Zu jedem Motiv kann Kirschenmann Geschichten erzählen. Seit den ersten Pflanzaktionen gab es Flohmärkte, Kinovorführungen, Feste, Ferienprogramme, Bastelaktionen und geselliges Beisammensein. Alt und Jung aus allen Stadtteilen fachsimpelten über Kräuter, nachhaltiges Düngen und steckten die Hände in die Erde. Gern erinnert sich die engagierte Neustädterin, die ihr grünes Wissen vom Zimmerpflanzenniveau zum Gärtnerprofi ausbaute, an das Unkrautjäten mit ihrer Oma. „Da sie keinen Garten mehr hat, ist sie extra gekommen und wollte mich unterstützen. Wir zupften einen vermeintlichen Schädling, dieses Kraut kommt aber anscheinend in der Türkei gekocht auf den Tisch. Zumindest machten uns zwei Damen darauf aufmerksam. Dieses Beispiel spiegelt sehr gut wider, wie viel jeder durch das Urban Gardening lernen kann.“ Den Aktiven ist wichtig zu zeigen, dass nicht nur dicke Kartoffeln, sondern vor allem Wissen geerntet werden können: So machten die Hobbygärtner erstaunliche Erfahrungen mit alten Tomatensorten: Die Früchte traten in gelb und rosa mit weißen Bäckchen in Erscheinung. So manch einen hielt das davon ab, sie als Salatbeilage zu verputzen, doch Kirschenmann weiß nun: „Sie sind auf jeden Fall genießbar.“
Auch wenn für den einen oder anderen die Kürbisse und Tomaten noch ein wenig zu wild wuchern, steckt hinter dem Vorhaben ein gezieltes Konzept. „Wir haben grünes Licht von der Stadt für weitere Verhandlungen. Im Januar gibt es eine interaktive Werkstatt, in der die Baubehörde, der Beirat Neustadt, die Gruppe KLAS (Klimaanpassungsstrategie) und wir an einem Tisch sitzen und überlegen, wie es weitergeht“, erzählt die 28-Jährige. Die Vision der Stadtgärtner wäre, eine Entsiegelung des Platzes, freies Handeln auf dem Experimentierfeld und ein überdachter Treffpunkt in einem der angrenzenden Gebäude. Doch bevor sich das 15-köpfige ehrenamtliche Team zu einem nächsten Schritt entschließt, will es einige Fragen geklärt wissen: Ist eine langfristige Nutzung möglich und wird es Unterstützung – auch finanzieller Art – von der Stadt geben? Die Lucie könnte Paradebeispiel sein für gleich mehrere Ideen: Klimabewusste Maßnahme in Zeiten des Wandels sowie bürgerliche Mitbestimmung und integratives Experimentierfeld für alle Generationen. Schon jetzt pflanzen Kita-Kinder dort eifrig mit. Einige Anwohner des Seniorenheims geben ihr Wissen rund um den grünen Daumen an Interessierte weiter.